Plagiator? Ignorant!

Wirklich schlimm an der Meldung, dass ein Weltwoche-Journalist ein Plagiat begangen hat, ist die Tatsache, dass solches im Jahr 2015 noch möglich ist: Wo lebt, was und wie liest ein Mann, der sich beruflich mit dem aktuellen und dem vergangenen Weltgeschehen befassen soll, wenn er allen ernstes zu glauben scheint, von jemandem abschreiben und unentdeckt bleiben zu können?

Um ehrlich zu sein, zweifle ich keine Sekunde daran, dass unsere Kolleginnen und Kollegen Auslandskorrespondenten noch vor 20, nein, 15 Jahren das Abschreiben von Artikeln aus den lokalen Zeitungen ihres Aufenthaltsortes als hehre Arbeit gesehen haben. Weiterlesen

Auf dem Weg in den neuen Journalismus?

Bildschirmfoto 2015-07-14 um 16.39.09Natürlich müssen weder Verlage noch Redaktionen den Reichweitenweg gehen – aber die VERANTWORTLICHEN der neuen Produkte müssen es.

Denn von ihnen wird sofort nach Stellenantritt irgendeine sichtbare Trendwende erwartet. Trends, das sind Zahlen, die sich einem Median entlang aufgereiht eine Linie ergeben, die man als Bewegung, Entwicklung oder veränderung lesen kann (und das auch dann, wenn sie ziemlich zufällig so liegen, wie sie liegen).

In dieser Position kann man zwei Dinge tun: Die Nische des Produkts eruieren, eine Strategie erarbeiten, mutig neue Wege gehen im Glauben an die Positionierung und die Ausrichtung des eigenen Mediums – im Bewusstsein, dass der Erfolg sich wahrscheinlich erst sehr spät, nicht eindeutig auf die eigene Handlungsweise rückführbar und damit scheinbar ohne Kausalzusammenhang einstellen wird – und dafür die Verantwortung übernehmen.

Oder eben diesen Kausalzusammenhang von Anfang an negieren, indem man das gleiche tut, was alle tun; die Vorgesetzten/AR/das Aktionariat mit passenden, weil verständlichen und durch die Nachahmerei sozusagen von der Konkurrenz «abgesegneten» Vanity-Metrics zufrieden – und ruhigstellen und beim wirtschaftlichen Scheitern «dem Strukturwandel» die Schuld geben (wahlweise auch Google). Wer ökonomisch mehr von einer langen Agonie als von einem risikobehafteten mittelfristigen Aufstieg seines Unternehmens profitiert, wird den zweiten Weg wählen.

Nur in einer echten Startup-Kultur wird Mut zu neuen Wegen belohnt und Risikoscheu als Nachteil gesehen – weshalb alte Organisationen gut täten daran, Entwicklungsabteilungen als Startups auszugestalten. Das führt zwar vielleicht zu Kulturkämpfen, die wiederum verhindern aber vielleicht den kollektiven Selbstbetrug.